ARGO II – vielgeliebtes Familienmitglied des Ammersee Yacht-Clubs –
Zum 100. Geburtstag der Clubyacht Von Anne-Kathrin Kilg-Meyer
Ein Sommerausflug an den Ammersee bedeutet Erholung pur. Der See, hoch oben bewacht vom Kloster Andechs, erstrahlt je nach Wetterlage in verschiedensten Farbschattierungen, erst recht, wenn der Wind die Wasseroberfläche aufraut. Dann ist der richtige Moment, dem Segelsport zu frönen. Die weißen Segel glitzern wie Perlen.
Bei genauer Betrachtung entdeckt auch der Nichtkenner, dass es unter den Booten besonders stattliche, elegante, fast schon majestätisch dahingleitende Segelyachten gibt. Traditionelle Holzyachten, die den Gegensatz zu den zahlreichen Kunststoffbooten bilden. Eine von ihnen ist die ARGO II, ein 45er Nationaler Kreuzer mit dem Zeichen P 106 im Segel. Sie verdient in diesem Jahr besondere Beachtung, feiert die Clubyacht des am Westufer des Ammersees in Riederau beheimateten Ammersee Yacht-Clubs (AYC) doch ihren strahlenden 100. Geburtstag. Es versteht sich von selbst, dass die Eigner der Jubilarin in besonderer Form huldigen.
Bereits im Jahre 1911 wurde der erste 45er gebaut. Die im Segel stehenden Zeichen haben zweierlei Bedeutung: Zum einen ist der Großbuchstabe P das Symbol für die Bootsklasse, zum anderen gibt die Zahl Auskunft über die Reihenfolge des Baus der Yacht. Je niedriger die Zahl, umso älter ist das Boot in der Regel. Inzwischen schwimmt ein 45er auf dem Starnberger See mit der Segelnummer 253. Die Bezeichnung 45er resultiert aus der vermessenen Segelfläche von 45 qm. Die ARGO wurde 1923 von der Gebr. Engelbrecht Werft in Berlin Köpenick nach Plänen von Paul Franke für den Auftraggeber Paul Schmidt gebaut. Wenige Jahre später wurde das Schiff erstmals verkauft. Bevor die ARGO ihre Heimat am Ammersee fand, wurde sie im Norden Deutschlands herumgereicht: von Berlin nach Rostock, zurück nach Berlin an den Wannsee, wo sie während der letzten Kriegsjahre im wahrsten Sinne des Wortes untertauchen musste. Der 45er wurde in der Nähe der Glienicker Brücke „unter Wasser“ versteckt, d.h. sie wurde bis zum Kajütaufbau versenkt und erst nach Kriegsende wieder gehoben. Schließlich wurde die Yacht 1952 vom AYC erworben.
Die Namensgebung verdient ebenfalls ein Augenmerk. Die Yacht hieß ursprünglich Daimon, wurde dann in Darling III umgetauft und erhielt schließlich vom AYC den Namen ARGO II. Die Nummerierung rührt daher, dass es davor bereits eine Clubyacht ARGO I gab, die abgewrackt werden musste. Die Altvorderen im Segelverein am Ammersee sahen voraus, dass ihr Neuerwerb den passenden Namen erhielt. Kenner der griechischen Mythologie wissen, dass die Argo ein sagenhaft schnelles Schiff war, das von den Argonauten gesteuert wurde.
Man sieht der Lady ARGO ihr Alter keineswegs an, wurde sie vom AYC doch seit Anbeginn gepflegt und gehegt. Das ursprünglich weiße Kleid wurde in ein mahagonifarbenes gewechselt, so dass der Holzcharakter betont wurde. Anfang der 1990er Jahre wurde die Yacht für einen sechsstelligen Betrag, der von den Mitgliedern geschultert wurde, detailverliebt restauriert. Um noch heute an Regatten klassischer Yachten am Ammersee, Starnberger See, Bodensee oder sogar zurück am Wannsee, teilnehmen und erfolgreich
segeln zu können, müssen Schiff und Takelage immer auf wettbewerbsfähigem, modernem Stand gehalten werden.
Der vergangene Samstag, 22.07.2023, stand ganz im Zeichen der Geburtstagsfeierlichkeiten und diese begannen mit einem seglerischen Ereignis. Die ARGO war prächtig herausgeputzt mit Flaggengala über die Toppen und blau-weißem Blumenschmuck. Die Jubilarin bat zum Geschwader-Segeln. Mag der Begriff auch militärisch klingen, versteckt sich dahinter eine alte, friedfertige Tradition, wonach zu Ehren einer Yacht immerhin 20 Schiffe und Boote aus verschiedenen Segelclubs einem Kurs folgend hinter der zu ehrenden ARGO hersegelten. Die Besonderheit war, dass drei Kurse vorgegeben wurden und zwar in der Form einer Eins und zwei Nullen. Zu jedem Ziffern-Kurs wurde die Crew der ARGO ausgetauscht, damit so viele begeisterte und engagierte Clubmitglieder wie möglich in den Genuss des Mitsegelns gelangen konnten. Um Punkt 13 Uhr erfolgte das Start-Signal durch einen lauten Trötton. Der Wind spielte mit, so dass der ARGO ihr volles Können präsentieren konnte: von aufrecht-stolz bis kämpferisch-schräg zeigte sie sich in allen Lagen.
Nicht nur das Geburtstagskind hatte sich in Schale geworfen. Alle Mitseglerinnen und Mitsegler trugen respektvoll Kleidung in den Marinefarben Weiß und Blau, die Mitglieder des Vorstandes des AYC erschienen sogar an Bord im Blazer, ein Anblick, der dem Anlass angemessen war.
Um 17 Uhr trafen sich alle Gäste ebenfalls im erbetenen Dresscode auf dem Steg des AYC- Geländes und erwarteten die Jubilarin, die noch kurz einen Abstecher in den Diessener Segelclub, dem Patenclub des AYC, gemacht hatte, um ebenfalls diesem zum 100-jährigen Bestehen zu gratulieren. Der Empfang war begeistert. Jetzt begann das Fest auf dem Festland musikalisch untermalt von der 3-köpfigen Jazz-Combo Trio Nautico. Der Vorsitzende des AYC, Dr. Johannes Schmohl, begrüßte die Gäste und ließ durch eine charmante Clubfreundin die guten Wünsche, die üblicherweise zu einer Bootstaufe ausgesprochen werden, mit Sektdusche erneuern. Danach schilderte er im Unteren Bootshaus humorvoll die Geschichte des „vielgeliebten Familienmitglieds“, die grafisch kunstvoll gestaltet worden war. Ohne den sportlichen Aspekt zu vergessen, wies er darauf hin, dass seit 1952 laut akribisch geführter Eintragungen ins Logbuch 2.000 Fahrten mit 22.000 zurückgelegten Seemeilen – dies entspricht rechnerisch sogar einer Weltumsegelung - von den Mitgliedern zurückgelegt wurden.
Anschließend wurde ausgiebig und ausgelassen gefeiert bei köstlichen Speisen und Getränken. Bis in die Morgenstunden wurde in der clubeigenen „Tiger-Bar“ schwungvoll getanzt und oft auf noch viele gute Jahrzehnte für die ARGO II und hoffentlich nie endenden Nachwuchs von Argonauten angestoßen. Möge sie das Herzstück des seglerischen Clublebens des AYC bleiben.