Rund Um 2019

Wieder einmal war es soweit, der Kalendereintrag für die RundUm 2019, die neunundsechzigste Auflage, rückte immer näher und wir hatten wieder einmal die Idee, unserer Cara nach einer total verregneten Nachtregatta 2016 (damals noch Instigator) erneut den See bei Nacht zu zeigen. Die Crew-Zusammenstellung war wie gewohnt mühsam. Nach Rückfrage bei Florian (unserem Präsidenten, der muss es ja wissen!?), ob es denn eine Verpflichtung für eine 5er Crew gibt- ich dachte ich hatte da mal sowas gehört - diese dann verneint wurde, konnten wir eine Kressbronner 4er Crew melden. Puh, erste Hürde geschafft!

Die Meldeliste war dann verständlicherweise etwas übersichtlich gestaltet, da doch einige 45er Segler entweder an der Ostsee weilten oder dem Starnberger See und somit dem Europapokal den Vorzug gaben. 6 Boote waren online gemeldet, Gaudeamus entschied sich noch kurzfristig, zu erhöhten Startgeldkonditionen, das werden sie schon verkraften. Eine Punktevergabe für die Jahreswertung schien durchaus gesichert, für nicht gerade wenige wichtig!

Schon wieder eine nicht eingespielte Crew! Egal, dachte ich, auf einer Langstrecke hat man ja genügend Zeit und wird schon jede Stunde dazulernen. Neben dem sportlichen Ehrgeiz einer Regatta wären doch auch ein paar schöne Stunden in der Nacht mit netten Leuten auch ganz schön, also alles prima!

Die Überfahrt von Gohren nach Lindau war schon eine gute Einstimmung, schöner Wind. Das ein oder andere Manöver konnte nochmals geübt und einstudiert werden. Überpünktlich kamen wir in der Bregenzer Bucht an, die sich dann nach und nach mit Booten füllte. Auch die Hohentwiel war schon zu sehen, deren faszinierende Erscheinung immer wieder begeistert und deren Nähe von manchen Seglern auch gerne in Anspruch genommen wird, später mehr dazu.

Schelm legte noch einen Zwischenstopp im LSC ein, Boot ausräumen, eher nicht bei dem Liegeplatz - oder?

Schelm im LSC

Auf dem Wasser orientierte und sortierte man sich so langsam und bereitete sich auf den bevorstehenden Start vor. Kundry zog zur Vorsicht ihr Vorsegel nochmals durch das überaus saubere, trinkwassergeeignete Bodenseewasser. Ob die Wasserqualität am Zürich See da wohl mithalten kann?

Kundry vor dem Start

Die Uhr wieder mal nur so einigermaßen im Blick ging es für uns Richtung Startlinie, in Lee tauchte Ariadne auf und so dachten wir, dass unsere Position gar nicht so schlecht sein kann.

Vor dem Start: Ariadne in Sichtweite

Wir wollten uns unbedingt vom schönen Raddampfer fernhalten. Die Erfahrungen und Berichte der der letzten Jahre zeichneten folgendes Bild: Nähe zum Startschiff Hohentwiel heißt Pulk, heißt Chaos, allerlei Geschrei und nicht selten Kollision. Dieses Schauspiel und diese Erfahrung wollten wir uns wahrlich ersparen. Nur liegen Wunsch und Wirklichkeit nicht selten meilenweit auseinander, so wie auch an diesem Abend. 
Bevor wir uns unserer misslichen Lage so recht bewusst werden konnten, wir weder abfallen, anluven, halsen noch wenden konnten, war an der Linie bereits Vollsperrung angesagt, Ausweg unmöglich!

Was war denn hier los, dachte ich, soll es doch nach dem Startsignal zügig vorangehen. Also Lücke aufspüren, Ausschau halten, detektivisch unterwegs auf der Suche nach dem offenen Türchen, vergebens, alles war dicht. Also alle Fahrt aus dem Boot, Fender raus, alle die greifbar waren, auch der gelbe Rettungskragen, der noch nie das Tageslicht gesehen hat musste an die frische Luft. In der vierten Reihe kamen wir dann so einigermaßen zum Stehen. Großsegel runter, um nicht wieder unfreiwillig in Fahrt zu kommen. Vorne, hinten, an allen Seiten und überall wurde geholfen die unliebsamen Nachbarn auf Distanz zu halten. Mit Händen und Füßen wurde geschafft, die waren notwendig, um der Aufforderung einer Plastikbootbesitzerin uneingeschränkt nachkommen zu können, "wir sollten doch unsere Finger von ihrem Boot lassen", was für ein Affront, was fällt uns ein - verkehrte Welt!

Staubildung an der Startlinie

Wir waren nun der Hohentwiel ganz nah, schöner Anblick, hätte gerne darauf verzichtet. An der Backbord-Bordwand angekommen öffnete sich unverhofft eine unverbaut freie Sicht nach Konstanz, die langersehnte Lücke tat sich auf, Simsalabim, ganz ohne Zauberspruch. Also Großsegel wieder hoch, Genua 2 raus, los geht`s. 
Wir grüßten noch freundlich die feinen Damen und Herren mit Weinglas in der Hand im ersten Obergeschoss der Hohentwiel, wünschten noch einen schönen Abend und konzentrierten uns fortan auf unsere Segelkünste. Wind perfekt, 2-3 Windstärken aus Nord-Ost, passt!

Nach dem Start

Wir entschieden uns für das deutsche Ufer. Kundry segelte etwas weiter Richtung Schweiz, vielleicht wegen der ausgeprägten Heimatgefühle, dem Heimweh nach so langer Zeit im fremden Gewässer.
Gaudeamus entschied sich auf der Höhe Wasserburg ebenfalls für die Eidgenossen-Route. Nach einem wahrlich unnötigen Positionskämpfchen, in das uns eine ambitionierte BB 10 verwickelte, setzten wir auf Höhe Langenargen den Spi,  Obadjah folgte mit ähnlicher Taktik in Luv.
In Seemitte, auf halber Wegstrecke nach Romanshorn, entdeckten wir weit, ganz weit vorne den unverwechselbaren Spi der Ariadne, die BB 10 war weit hinter uns, recht so, ein wenig Schadenfreude hatten wir schon!
Unter Segel hatten wir bis dahin eigentlich nichts wirklich falsch gemacht, mussten aber schmerzlich attestieren, dass eine Staubildung am Start, ein Komplettstillstand, nahezu irreparable Nachwehen mit sich bringt.

Unter Spi nach Romanshorn

Um 21.40Uhr rundeten wir die erste Bahnmarke in Romanshorn, Gaudeamus dicht hinter uns. Unter Spi hatten wir mittlerweile auf die Genua 1 gewechselt, die uns dann auf einem Am-Wind-Kurs nach Konstanz bringen sollte. 
Es wurde langsam dunkel, der längste Tag im Jahr verabschiedete sich. Das Blinklicht am Eichhorn näherte sich, wir passierten um 23.15 Uhr die gelbe Plastiktonne, verstanden jedoch nicht ganz, warum wir gleich wenden sollten, im Pulk, mit viel Abdeckung und viel Abwind der anderen Boote, bei stark nachlassendem Wind. Wir fuhren also unseren Kurs weiter, bis weit unter Land am Eichhorn (alles sicher dachten wir, der See hat ja gerade genügend Wasser) und wendeten erst spät Richtung Meersburg. Die Schläge wurden kürzer, kreuzen war angesagt und Vorsicht war geboten, nicht nur wegen der Boote, die mit Wegerecht Richtung Überlingen fuhren, auch wegen der bereits Entgegenkommenden. 
Die Katamarane waren nicht nur durch ihre eigenen Lichter ganz gut auszumachen, sondern auch wegen den nachfolgenden Begleitboote. Schon enorm, mit welcher Geschwindigkeit die "Multi-hulls" daher rauschen. Bei mir jedoch bleibt es bei einer abstrakten, nicht wirklich tief verwurzelten Faszination. Traditionelles "Einrumpf- Segeln", es gibt nichts Schöneres, auch nicht bei Dunkelheit in der Nacht, auch nicht im Überlinger See.

Wir hatten eine ausgezeichnete Stimmung an Bord, alles unter Kontrolle, die Manöver waren für unsere Verhältnisse perfekt, Winddreher konnten wir trotz verminderter Nachtsicht einigermaßen gut erkennen, auch dank unserer abenteuerlich an den Wanten befestigten Vorsegelbeleuchtung. 
Urplötzlich eine weiße Wand vor uns, rechtzeitig gesehen - die Wild Lady mit ihrem Genacker, gefühlt so groß wie ein Fußballfeld - Ausweichmanöver glücklicherweise unnötig.

Im Zick-Zack-Kurs ging`s nach Überlingen. Mit etwas Überhöhe erreichten wir um 01.30 Uhr die Bahnmarke und danken an dieser Stelle den Veranstaltern für die gelegte Ablauftonne, die viel Stress bei den übernächtigten Steuerleuten eliminierte.

Spi rauf, Windgeschwindigkeit runter, Regenschalter an, also nix wie rein ins Ölzeug. Nicht alle hatten Gummistiefel dabei, mir war`s egal, ich hatte trockene Füße. 

Wir entschieden uns für Kurs Richtung Mainau, um dann nach einer Schifte die Genua 1 setzten zu können, dann Anlieger entlang des deutschen Ufers Richtung Lindau. Klang nach einem guten Plan. Immer wieder bemerkten wir, dass wir uns bewusst Gedanken über die nächsten Schritte zu machen schienen, was ganz Neues, waren wir in den letzten Wettfahrten doch manchmal recht planlos unterwegs. Eine Langstreckenregatta hat also auch einen gewissen Bildungsauftrag, eine positiv pädagogische Note.

Der Wind hatte wieder etwas zugelegt, 2-3 Bft, da erkannten wir weit voraus etwas Beleuchtetes, Fahrendes, Ziehendes, was auch immer. Bizarr und skurril anzusehen, sah aus, als ob da jemand eine "Kathedrale" über den See zieht. Wir rieben uns verwundert die Augen, kann doch nicht sein. 
Wir waren auf der Höhe von Hagnau, ach ja, da war doch was. Es gab von der Regattaleitung einen wichtigen Hinweis, dass vor Hagnau eine "Bohrinsel" für Forschungszwecke liegen soll, schlecht gekennzeichnet, rudimentär beleuchtet. Das musste sie sein, von der Wapo angestrahlt, gut in Szene gesetzt, zur Sicherheit wahrscheinlich, für uns gefühlt mitten auf dem See festgemacht. 
Passage gut gelungen, weiter ging´s mit guten 6 Knoten Fahrt, es wurde heller. So gegen 05.00 Uhr erkannten wir Friedrichshafen schemenhaft in der Ferne. Auch Gaudeamus war da, mit seinen unverkennbaren gelben Segeln, jedoch weiter unter Land, einigermaßen querab. Mithalten war angesagt, die Konkurrenz immer im Blick. Wir dachten, wir könnten noch was ausrichten, uns in einer einigermaßen akzeptablen Distanz halten - nix da.

Irgendwie hatten die Herrschaften aus Konstanz ihren Turbo an Bord und auch eingeschaltet, weg waren sie. So weit weg, dass uns klar war, mit dem vorherrschenden Wind-Schlafmodus vor Langenargen ist an keine Aufholjagd zu denken. Wir konzentrierten uns daher fortan auf Ausweichmanöver zwischen Zweigen, Ästen und meterlangen Baumstämmen; die ans Ufer getriebenen Holzfelder, dort sicher geparkt, hatten sich wieder auf die Reise begeben und sich im See ausgebreitet. Wir bekamen keine richtige Fahrt mehr ins Boot, obwohl wir vollkonzentriert waren. Die Option, den nassen Spi nochmals zu ziehen, verfolgten wir nicht weiter, Geduld war also angesagt. Wir ließen auch das über uns ergehen, erstaunlicherweise waren wir nicht allzu übernächtigt, sodass wir die Ruhe genießen konnten.

Flaute vor Langenargen

Wir trieben gegen 08.15Uhr um das Glockenschlagwerk vor Lindau, sahen Gaudeamus gerade noch in den Hafen Lindau einbiegen, die hatten es also geschafft. Nochmals ein 180° Winddreher, Ziellinie um 08.40Uhr erreicht, wir waren zufrieden, es gab Port zum Frühstück. Überglücklich, dass wir uns so lange in der Nähe der P3 aufhalten konnten, ein gewisser Gradmesser für uns. Wo waren die anderen Boote, irgendwie hatten wir alle in der Nacht aus den Augen verloren. Passat hatten wir nach dem Start eigentlich gar nicht mehr gesehen. 

Alle 45er kamen an, eine gelungene Regatta, eine schöne Nacht.

Am Abend dann, beim verspäteten Stegbier im LSC, saßen wir noch mit Teilen der Ariadne und der Schelm-Crew zusammen. Uns wurde vom Ziellinienduell der beiden Erstplatzierten berichtet. Schade für Ariadne, aber ich denke, Gaudeamus ist ein würdiger Sieger der RundUm 2019 in der Wertung der 45er Nationalen Kreuzer.

Wir, die Crew der Cara, sind hochzufrieden mit unserer Nachtperformance, und freuen uns riesig, dass mal ein Platz für uns auf dem Treppchen frei war, auch wenn die allseits bekannten Protagonisten an diesem Wochenende auf dem bayrischen See nahe Starnberg unterwegs waren. Wie auch immer, wir haben die Ehrung dennoch genossen und hoffen auf eine Neuauflage 2020.

Siegerehrung

Die Cara, P234 Crew, Stefan, Hannes, Jonas und Christoph


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