Um 21.40Uhr rundeten wir die erste Bahnmarke in Romanshorn, Gaudeamus dicht hinter uns. Unter Spi hatten wir mittlerweile auf die Genua 1 gewechselt, die uns dann auf einem Am-Wind-Kurs nach Konstanz bringen sollte.
Es wurde langsam dunkel, der längste Tag im Jahr verabschiedete sich. Das Blinklicht am Eichhorn näherte sich, wir passierten um 23.15 Uhr die gelbe Plastiktonne, verstanden jedoch nicht ganz, warum wir gleich wenden sollten, im Pulk, mit viel Abdeckung und viel Abwind der anderen Boote, bei stark nachlassendem Wind. Wir fuhren also unseren Kurs weiter, bis weit unter Land am Eichhorn (alles sicher dachten wir, der See hat ja gerade genügend Wasser) und wendeten erst spät Richtung Meersburg. Die Schläge wurden kürzer, kreuzen war angesagt und Vorsicht war geboten, nicht nur wegen der Boote, die mit Wegerecht Richtung Überlingen fuhren, auch wegen der bereits Entgegenkommenden.
Die Katamarane waren nicht nur durch ihre eigenen Lichter ganz gut auszumachen, sondern auch wegen den nachfolgenden Begleitboote. Schon enorm, mit welcher Geschwindigkeit die "Multi-hulls" daher rauschen. Bei mir jedoch bleibt es bei einer abstrakten, nicht wirklich tief verwurzelten Faszination. Traditionelles "Einrumpf- Segeln", es gibt nichts Schöneres, auch nicht bei Dunkelheit in der Nacht, auch nicht im Überlinger See.
Wir hatten eine ausgezeichnete Stimmung an Bord, alles unter Kontrolle, die Manöver waren für unsere Verhältnisse perfekt, Winddreher konnten wir trotz verminderter Nachtsicht einigermaßen gut erkennen, auch dank unserer abenteuerlich an den Wanten befestigten Vorsegelbeleuchtung.
Urplötzlich eine weiße Wand vor uns, rechtzeitig gesehen - die Wild Lady mit ihrem Genacker, gefühlt so groß wie ein Fußballfeld - Ausweichmanöver glücklicherweise unnötig.
Im Zick-Zack-Kurs ging`s nach Überlingen. Mit etwas Überhöhe erreichten wir um 01.30 Uhr die Bahnmarke und danken an dieser Stelle den Veranstaltern für die gelegte Ablauftonne, die viel Stress bei den übernächtigten Steuerleuten eliminierte.
Spi rauf, Windgeschwindigkeit runter, Regenschalter an, also nix wie rein ins Ölzeug. Nicht alle hatten Gummistiefel dabei, mir war`s egal, ich hatte trockene Füße.
Wir entschieden uns für Kurs Richtung Mainau, um dann nach einer Schifte die Genua 1 setzten zu können, dann Anlieger entlang des deutschen Ufers Richtung Lindau. Klang nach einem guten Plan. Immer wieder bemerkten wir, dass wir uns bewusst Gedanken über die nächsten Schritte zu machen schienen, was ganz Neues, waren wir in den letzten Wettfahrten doch manchmal recht planlos unterwegs. Eine Langstreckenregatta hat also auch einen gewissen Bildungsauftrag, eine positiv pädagogische Note.
Der Wind hatte wieder etwas zugelegt, 2-3 Bft, da erkannten wir weit voraus etwas Beleuchtetes, Fahrendes, Ziehendes, was auch immer. Bizarr und skurril anzusehen, sah aus, als ob da jemand eine "Kathedrale" über den See zieht. Wir rieben uns verwundert die Augen, kann doch nicht sein.
Wir waren auf der Höhe von Hagnau, ach ja, da war doch was. Es gab von der Regattaleitung einen wichtigen Hinweis, dass vor Hagnau eine "Bohrinsel" für Forschungszwecke liegen soll, schlecht gekennzeichnet, rudimentär beleuchtet. Das musste sie sein, von der Wapo angestrahlt, gut in Szene gesetzt, zur Sicherheit wahrscheinlich, für uns gefühlt mitten auf dem See festgemacht.
Passage gut gelungen, weiter ging´s mit guten 6 Knoten Fahrt, es wurde heller. So gegen 05.00 Uhr erkannten wir Friedrichshafen schemenhaft in der Ferne. Auch Gaudeamus war da, mit seinen unverkennbaren gelben Segeln, jedoch weiter unter Land, einigermaßen querab. Mithalten war angesagt, die Konkurrenz immer im Blick. Wir dachten, wir könnten noch was ausrichten, uns in einer einigermaßen akzeptablen Distanz halten - nix da.
Irgendwie hatten die Herrschaften aus Konstanz ihren Turbo an Bord und auch eingeschaltet, weg waren sie. So weit weg, dass uns klar war, mit dem vorherrschenden Wind-Schlafmodus vor Langenargen ist an keine Aufholjagd zu denken. Wir konzentrierten uns daher fortan auf Ausweichmanöver zwischen Zweigen, Ästen und meterlangen Baumstämmen; die ans Ufer getriebenen Holzfelder, dort sicher geparkt, hatten sich wieder auf die Reise begeben und sich im See ausgebreitet. Wir bekamen keine richtige Fahrt mehr ins Boot, obwohl wir vollkonzentriert waren. Die Option, den nassen Spi nochmals zu ziehen, verfolgten wir nicht weiter, Geduld war also angesagt. Wir ließen auch das über uns ergehen, erstaunlicherweise waren wir nicht allzu übernächtigt, sodass wir die Ruhe genießen konnten.